Link 25 – Inkasso ist teuer

Wucher ist demnach die bewußte Ausnützung des Schwächeren, um übermäßigen Gewinn zu erzielen.
3 Ob 816/53.

Teil 1 (von 2)

Arbeiterkammer NÖ-Präsident Markus Wieser möchte Inkasso-Maximalforderungen begrenzen.

m.wieser@aknoe.at

Etwa zehn Milliarden Euro verlieren Klein- und Mittelbetriebe im Jahr durch Forderungsausfälle. So eine bundesweite Umfrage des Gläubigerschutzverbandes KSV1870. In jedem elften Fall ist das existenzbedrohend. Immer häufiger greifen Unternehmer daher auf Profis zurück, um ihre Außenstände mit Nachdruck einzufordern. Wer nicht gleich die Exekution seiner Forderung bei Gericht beantragt und so einen Gerichtsvollzieher auf den Plan ruft, wendet sich meist an ein Inkasso-Institut.

Deren Zahl ist in den letzten Jahren dank flauer Wirtschaftslage und steigender Arbeitslosigkeit kräftig gewachsen. Insgesamt 204 Institute waren laut Wirtschaftskammer zum Jahreswechsel bundesweit aktiv (davon 15 in NÖ). Das ist ein Anstieg von 39 Prozent seit dem Jahr 2005.

3.500 Inkassofälle pro Kalendertag
Nach Schätzungen des Inkassoverbandes (IVO) gibt es in Österreich bereits rund 1,3 Millionen Inkassofälle pro Jahr. Im Schnitt sind das über 3.500 pro Kalendertag. Zur Relation: Die Zahl der gerichtlichen Vollstreckungen bewegt sich in etwa gleicher Höhe.

Für säumige Schuldner kann es durch die Intervention eines Inkassobüros aber erst so richtig teuer werden. Was sie noch tiefer in die Schuldenfalle treibt. Drohungen zu Klagen oder Vollstreckungen sind zudem keine Seltenheit.

Bei Markus Wieser, Präsident der Arbeiterkammer (AK) NÖ, schrillen deswegen die Alarmglocken. Im Vorjahr verbuchte die Kammer bereits 880 Anfragen verunsicherter Konsumenten allein zu diesem Thema.

So verlangte etwa ein Reisebüro von der Weinviertlerin Lieselotte K. 196 Euro. Sie bezahlt nicht, weil diese Forderung ihrer Meinung nach zu Unrecht bestand. Einige Monate später folgen die ersten Schreiben und Mahnungen eines Inkasso-Büros. Die Zeit verging, und nach zwei Jahren verlangte das Inkasso-Institut – inklusive 86,60 Euro Zinsen und diverser Gebühren – insgesamt 446,80 Euro. Das ist mehr als das Doppelte der ursprünglichen Forderung.

Arbeiterkammer-Chef für Maximalforderung
Für Inkasso-Büros sei diese Vorgangsweise oft ein angenehmes Geschäft, meint Wieser. Erst recht dann, wenn ein Ratenplan vereinbart wird, worauf viele dieser Firmen abzielen würden. Dann könne es passieren, dass bei einer geringen Rate die Betroffenen ihre Schuld nie abbezahlen können – die Grundforderung also so gut wie nie kleiner werde, weiß Wieser.

Das Inkasso-Institut hingegen verdiene daran ziemlich gut, da die Raten lediglich deren Spesen bedienen würden. „Daher braucht es klare Vorgaben, was Inkasso-Büros an Maximalforderung geltend machen dürfen“, betont der AKNÖ-Präsident. Die Grundforderung dürfe nicht um das Doppelte überstiegen werden, verlangt er eine angemessene Verhältnismäßigkeit. Bei einer Schuld von 2.000 Euro dürfte die Gesamtforderung des Inkasso-Büros also nicht mehr als 4.000 Euro betragen.

Kritisch sieht Wieser auch die gesetzlich erlaubten Höchstsätze der Inkasso-Institute. Sie würden meist voll ausgeschöpft. Und die Leistungsübersicht – also die Aufschlüsselung – sei mitunter spärlich. Außerdem lasse sich selten eruieren, ob die angeführten Schritte zweckmäßig sind, so Wieser.

Bei bedrohlich wirkenden Schreiben von Inkasso-Büros rät er, den Inhalt von Arbeiterkammer-Experten prüfen zu lassen. Ungerechtfertigte Forderungen wären schriftlich abzulehnen. Und: Mitarbeitern von Inkassobüros muss – im Gegensatz zu Gerichtsvollziehern – nicht die Tür geöffnet werden.

Inkassoverband ortet hohe Missbrauchsgefahr
„Man muss die Kirche im Dorf lassen“, sagt Inkassoverband-Sprecher Gerald Waffek zur Kritik. Denn: „Bei jeder Tätigkeit, die in Massen ausgeübt wird – ob am Bau oder beim Inkasso – wird man einen gewissen Bodensatz an berechtigten Reklamationen finden.

Und wenn sich die Arbeiterkammer an der Höhe der Inkassogebühren stoße, „dann muss man auch sagen, dass die Gerichtskosten der Republik Österreich die Hauptforderung schon nach der Klage überschreiten dürfen“.

Ein Brief bestehe zudem nicht nur aus Papier- und Portokosten. Dahinter stehe ein aufwendiges Forderungsmanagement, das Geld koste. Die Inkassowirtschaft halte sich dabei immer peinlichst genau an die erlaubten Höchstsätze. Die Konsequenzen des AKNÖ-Wunsches nach einer Maximalforderung illustriert Waffek mit einem Beispiel: Sollte ein Telekomanbieter auf eine offene Handyrechnung von 9,90 Euro verzichten müssen, weil die Inkassospesen die Hauptforderung nicht überschreiten dürften, „würde man Missbrauch Tür und Tor öffnen“. Was die Kammer laut Waffek aber zu Recht hinterfrage, sei, ob die gesetzten Schritte der Institute im Einzelfall zweckmäßig sind und zum Ziel führen. Etwa, wenn eine Kleinforderung mit sechs Mahnbriefen – samt den dabei anfallenden Gebühren – verfolgt werden sollte. Rechtsvorschrift Inkassogebühren.

Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Höchstsätze der Inkassoinstituten gebührenden Vergütungen, Fassung vom 04.02.2015 Langtitel Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Höchstsätze der Inkassoinstituten gebührenden Vergütungen StF: BGBl. Nr. 141/1996 Änderung BGBl. II Nr. 490/2001 idF BGBl. II Nr. 103/2005 (VFB) Präambel/Promulgationsklausel. Auf Grund des § 69 Abs. 2 Z 5 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 314/1994 wird verordnet: Text:

§ 1. Für die den Inkassoinstituten für ihre Tätigkeiten bei der Einziehung fremder Forderungen gebührenden Vergütungen werden in den §§ 2 und 3 folgende Höchstbeträge festgelegt.

§ 2. Die Auftraggebergebühr darf jenen Höchstbetrag, der sich aus der Summe der nachstehenden Höchstsätze für vom Auftraggeber zu begleichende Vergütungen ergibt, nicht übersteigen:

1. Im Voraus zu entrichtende Auftragsgebühr für jede zum Einzug übertragene Forderung: bis zu 6 vH der Forderung, bei Forderungen unter 13 Euro bis zu 2,03 Euro.

2. Ermittlung der Anschrift eines Schuldners im Bereich der Standortgemeinde des Inkassoinstitutes: bis zu 8,14 Euro zuzüglich Barauslagen, außerhalb der Standortgemeinde im Inland bis zu 12,35 Euro zuzüglich Barauslagen, im Ausland bis zu 23,98 Euro zuzüglich Barauslagen.

3. Ermittlung der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Schuldners: bis zu 50,87 Euro zuzüglich Barauslagen, wenn diese Kosten beim Schuldner uneinbringlich sein sollten.

4. Hundertsatz auf diejenigen Beträge, um die sich die Schuld durch Leistungen des Schuldners oder eines Dritten zugunsten des Schuldners während der Vertragsdauer mindert. Dieser Hundertsatz beträgt:
a) bei ausgeklagten Forderungen bis zu 30 vH des eingebrachten Betrages zuzüglich Gerichts-, Rechtsanwalts-, Gerichtsvollzieher- und Portokosten, bei nicht ausgeklagten Forderungen bis zu 15 vH des eingebrachten Betrages, bei erst nach wiederholten Interventionen und vergeblichen Inkassoversuchen zur Einbringung gebrachten Forderungen, verjährten Forderungen, Konkursforderungen oder Forderungen gegen Schuldner, die das eigenhändig unterschriebene Vermögensverzeichnis abgegeben haben, bis zu 40 vH des eingebrachten Betrages;
b) wenn sich die zum Einzug übergebene Forderung als nicht bestehend erweist: bei nicht ausgeklagten Forderungen bis zu 20 vH der Forderung, bei erst nach wiederholten Interventionen und vergeblichen Inkassoversuchen zur Einbringung gebrachten Forderungen, verjährten Forderungen, Konkursforderungen oder Forderungen gegen Schuldner, die das eigenhändig unterschriebene Vermögensverzeichnis abgegeben haben, bis zu 50 vH der Forderung.

§ 3. Die Schuldnergebühr darf jenen Höchstbetrag, der sich aus der Summe der nachstehenden Höchstsätze für vom säumigen Schuldner zu begleichende Vergütungen ergibt, nicht übersteigen:

1. Allgemeine Bearbeitungskosten bei Forderungen:
bis 73 Euro ….. 20,35 Euro
über 73 Euro bis 364 Euro ….. bis zu 22%
über 364 Euro bis 727 Euro ….. bis zu 17%
über 727 Euro ….. bis zu 8%

2. Erste Mahnung bei Forderungen bis 19 Euro ….. bis zu 4,36 Euro
über 19 Euro bis 73 Euro ….. bis zu 7,27 Euro
über 73 Euro bis 364 Euro ….. bis zu 14,53 Euro
über 364 Euro bis 727 Euro ….. bis zu 24,71 Euro
über 727 Euro ….. bis zu 50,87 Euro

Zweite Mahnung bei Forderungen bis 19 Euro ….. bis zu 5,09 Euro
über 19 Euro bis 73 Euro ….. bis zu 9,45 Euro
über 73 Euro bis 364 Euro ….. bis zu 17,44 Euro
über 364 Euro bis 727 Euro ….. bis zu 27,62 Euro
über 727 Euro ….. bis zu 58,14 Euro

Für die dritte Mahnung und jede weitere Mahnung sowie für Telefoninkasso, Ratenzahlungsvereinbarungen, Stundungsvereinbarungen und außergerichtliche Vergleichsvereinbarungen gelten die gleichen Höchstsätze wie für die zweite Mahnung.

3. Anschriftenerhebung: Nachforschung innerhalb der Standortgemeinde des Inkassoinstitutes bis zu 17,44 Euro zuzüglich Barauslagen, Nachforschung außerhalb der Standortgemeinde bis zu 30,52 Euro zuzüglich Barauslagen, Nachforschung im Ausland bis zu 101,74 Euro zuzüglich Barauslagen.

4. Wegentgelt: Bei Entfernungen vom Standort des Inkassoinstitutes unter 10 km bis zu 12,35 Euro zuzüglich Reisekosten, bei Entfernungen von 10 km bis 50 km bis zu 18,17 Euro zuzüglich Reisekosten, bei Entfernungen von 51 km bis 100 km bis zu 26,16 Euro zuzüglich Reisekosten und bei Entfernungen über 100 km bis zu 38,52 Euro zuzüglich Reisekosten.

5. Ermittlung der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse bis zu 50,87 Euro zuzüglich Barauslagen.

6. Evidenzhaltung pro angefangenes Vierteljahr
bei Forderungen bis 19 Euro ….. bis zu 2,91 Euro
über 19 Euro bis 73 Euro ….. bis zu 4,36 Euro
über 73 Euro bis 364 Euro ….. bis zu 10,17 Euro
über 364 Euro ….. bis zu 20,35 Euro

§ 4. (1) In den sich aus den §§ 2 und 3 ergebenden Höchstbeträgen ist die Umsatzsteuer nicht enthalten. (2) Die in Eurobeträgen ausgewiesenen Gebührensätze erhöhen oder vermindern sich in jenem Ausmaß, in dem der Jahresdurchschnitt des VPI 1986 (Basis Jahresdurchschnitt 1994 = 100%) oder ein an seine Stelle tretender Index von der jeweils letzten vom Statistischen Zentralamt veröffentlichten Jahresdurchschnittszahl abweicht. § 5. § 2 Z 1 bis 3, § 3 Z 1 bis 6 und § 4 Abs. 2 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 490/2001 treten mit 1. Jänner 2002 in Kraft.

Teil 2 (von 2)

Intransparent und „damit unwirksam“

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) war mit seinen Verbandsklagen gegen zwei Inkassobüros, Inko Inkasso und infoscore austria, in erster Instanz erfolgreich. Das Handelsgericht Wien beurteilte bestimmte Klauseln in Vertragsformblättern zur Ratenzahlung als intransparent und damit unwirksam. Den Kunden sei nämlich nicht klar gewesen, wie viel sie insgesamt zurückzahlen müssen.

Kunden, die ihre offenen Rechnungen nicht zahlen können, machen oft Bekanntschaft mit Inkassobüros. Dort wird dann üblicherweise eine Ratenzahlung vereinbart. Unterschreiben die Betroffenen die Vertragsformblätter, die ihnen vorgelegt werden, gilt die dort bezifferte Forderung als anerkannt, spätere Einwendungen sind nicht mehr möglich.

Dschungel an Gebühren und Kosten
Das Problem aus Sicht der Konsumentenschützer: Die Gesamthöhe der Forderung bleibe oft unklar, da neben dem eigentlichen Betrag weitere oft unklare Gebühren anfallen. Denn neben der Forderung werden weitere Kosten des Inkassobüros (monatliche Evidenzgebühren, Mahnkosten, Erhebungskosten) zugeschlagen – für den VKI ein wahrer Kostendschungel. Dazu komme, dass die Klauseln der Formblätter oft schwer verständlich sind, so der VKI in einer Aussendung am Dienstag. Das Gericht sah das genauso: Die Anerkennungsklauseln vermittelten dem Verbraucher kein klares Bild seiner vertraglichen Position.

Rücktritt binnen 14 Tagen möglich

Darüber hinaus stuften die Richter die Ratenzahlungsangebote der beklagten Inkassobüros als „entgeltliche Zahlungsaufschübe“ im Sinn des Verbraucherkreditgesetzes ein und stärkten damit die Position der Konsumenten: Der Kunde kann binnen 14 Tagen ab Unterschrift von seiner Vertragserklärung zurücktreten – egal, wo er die Ratenvereinbarung unterzeichnet hat.Wird er darüber nicht korrekt belehrt, beginnt diese Frist erst mit der Belehrung.
Dieses Recht hilft jenen, die eine umstrittene Grundforderung oder Inkassokosten in unberechtigter Höhe anerkannt haben. Der Rücktritt beseitigt die Rechtswirkungen der Anerkenntnis. Verbraucher können die Forderungen damit auch bestreiten und – wenn der Gläubiger klagt – gerichtlich prüfen lassen – mehr dazu in help.ORF.at.

Recht auf Angabe von Jahreszinssatz
Darüber hinaus hat ein Verbraucher ein Recht auf die Angabe des effektiven Jahreszinssatzes. Findet er dazu nichts im Formblatt, schuldet er nur den gesetzlichen Sollzinssatz von vier Prozent und hat ein Recht darauf, dass seine Raten neu berechnet werden. Nicht zuletzt stellte das Handelsgericht Wien auch klar, dass die Betreibungskosten bei einer Vereinbarung nach Zahlungsverzug gesondert aufzuschlüsseln sind, um dem Verbraucher ein klares Bild seiner vertraglichen Position zu geben.

„Ratenzahlungsangebote von Inkassobüros fallen seit 11.6.2010 in aller Regel unter die Schutzbestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes. Es besteht daher ein Rücktrittsrecht und ein Recht auf Angabe des Effektivzinssatzes mit der starken Sanktion, dass ansonsten nur gesetzliche Zinsen geschuldet werden“, fasste Maria Ecker, zuständige Juristin im Bereich Recht des VKI, das Urteil nochmals zusammen. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Das Urteil gilt jedoch als wegweisend.

Immer schneller eingeschaltet
In Österreich gibt es pro Jahr rund 1,1 Millionen Inkassofälle. Die Unternehmen wenden sich immer schneller an Inkassobüros mit dem Auftrag, das Geld einzutreiben. Die Mahnungen würden den Inkassobüros 90 bis 120 Tage nach Rechnungslegung übergeben – zu 90 Prozent Forderungen zwischen 50 und 300 Euro, so Christian Jahn vom Inkassobüro Intrum Justitia – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Links:
Verbraucherrecht.at
VKI
Handelsgericht Wien
Inko Inkasso
Infoscore austria