MIGRATION, TOLERANZ UND DEMOKRATIE

Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen. (Georg Orwell).

Wer sich in den Tiefen des Googelschen Universums verliert, erlebt Unerfreuliches. Selbst bei so „einfachen“ Stichworten wie Migration, Toleranz und Demokratie. Über Demokratie sollte man überhaupt nicht googeln. Labile Charaktere könnte leicht einen multiplen Krisenanfall erleiden. Und beim derzeitigen Megathema Migration gibt es gar 155 Millionen Treffer. Sie liebe Leser werden sich schon ihr eigenes, das richtige, Bild machen. Vor aber allem, lassen Sie sich kein X für ein U vormachen. Auch so ein Kalauer.

Noch nie lebten so viele Menschen weg von zu Hause: 232 Millionen Menschen befinden sich derzeit außerhalb ihres Heimatlandes. 1990 waren es erst 150 Millionen. Die grenzüberschreitende Migration konzentriert sich auf verhältnismäßig wenige Länder: Etwa die Hälfte aller Migranten lebt in nur zehn Staaten. Die USA absorbieren mit über 45 Millionen Zuwanderern den größten Anteil, gefolgt von Russland (11 Mio.), Deutschland (10 Mio.), Saudi-Arabien (9 Mio.) sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten und Grossbritannien (je 8 Mio.). Unter den Herkunftsländern führen Indien, Mexiko und Russland mit je rund 11 Millionen Emigranten die Rangliste an.

Aus ökonomischer Sicht wird Migration anhand verschiedener Faktoren erklärt, die nach der Richtung ihres Einflusses in Push- oder Pull-Faktoren unterteilt werden. Push-Faktoren wirken abstoßend, sie bewegen Menschen dazu, ihr Land zu verlassen. Pull-Faktoren dagegen wirken anziehend. Eine trennscharfe Unterscheidung ist nicht möglich, zumal stets beide Antriebe mitspielen.

PUSH: WAS AUSWANDERER ABSTÖSS

Zu den wichtigsten Push-Faktoren zählen politische Unsicherheiten wie Krieg, Verfolgung oder fehlende Freiheitsrechte, aber auch das Fehlen wirtschaftlicher Perspektiven. Dabei erleben vor allem große Schwellenländer wie Südafrika, Brasilien oder Indien starke Zuwanderung aus ihren Nachbarländern. Über drei Millionen Menschen aus Bangladesch wohnen beispielsweise in Indien.
Die beiden Faktoren wirken sich unterschiedlich auf die verschiedenen Bildungsklassen innerhalb eines Landes aus. So sind Hochqualifizierte vergleichsweise mobiler und können oftmals zwischen verschiedenen Zieldestinationen wählen. Dadurch entsteht ein globaler Wettbewerb um die Talente. Länder mit starken Pull-Faktoren wie die USA ziehen die meisten Hochgebildeten an, eben auch solche aus Indien oder Russland. Umgekehrt sind Menschen zum Beispiel aus Bangladesch größtenteils niedrig qualifiziert.

VERLUST AN WISSEN UND ERFAHRUNG

In den letzten zehn Jahren hat die Anzahl der Zuwanderer mit höherem Bildungsabschluss in den hoch entwickelten OECD-Ländern um 70 Prozent zugenommen. Schaut man die Herkunftsländer an, fällt auf, dass dort gerade die Hochqualifizierten am stärksten zur Emigration tendieren. Dies unterstreicht die hohe Mobilität von gut Ausgebildeten.
Aus der Perspektive des Destinationslandes ist die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte äußerst attraktiv, stillt sie doch den Fachkräftemangel, kurbelt so das Wirtschaftswachstum an und stabilisiert dabei sogar das Lohnniveau. Genau umgekehrt ist es in den Heimatländern der qualifizierten Migranten. Dort hat der sogenannte „Brain Drain“ – der Verlust an Wissen, Erfahrung und gebildeten Arbeitskräften – negative Folgen.
Weniger als 3,5 Prozent der Hochqualifizierten verlassen hingegen die großen Schwellenländer Brasilien, China, Indien und Russland in Richtung OECD-Länder. Zwar nimmt auch dort die Emigration Gutqualifizierter in absoluten Zahlen gemessen zu. Doch sie wird mehr als wettgemacht durch eine rasche Zunahme an Gutqualifizierten im Inland. Ein erstes Zeichen wäre, dass Studenten aus Schwellenländern, die im Ausland (z.B. den USA) ihre Ausbildung genießen, nach dem Studium vermehrt wieder in ihr Heimatland zurückkehren. (Expertise: Credit Suisse)

CONTRA

HARSCHE DIFFERENZEN ZWISCHEN DEN EU-28-LÄNDERN

Wie die Jugendlichen zu Politik, Gesellschaft und Werten stehen, unterscheidet sich in den USA, Brasilien, Singapur und Europa teilweise deutlich. Arbeitslosigkeit, Korruption, Überalterung und Ausländer – das sind nur einige derjenigen Probleme, welche die Jugendlichen beschäftigen.

Die befragten Jugendlichen – sie sind geboren zwischen 1990 und 1999 – blicken optimistisch nach vorne. In der Schweiz hat die Zuversicht seit 2010 Jahr für Jahr zugenommen, heute sind 64 Prozent der Meinung, es komme gut für sie. Traditionell waren auch die Brasilianerinnen und Brasilianer jeweils sehr hoffnungsvoll, doch die letzten, schwierigen Jahre und die düsteren wirtschaftlichen Prognosen ließen die Gruppe der Optimisten auf 58 Prozent schrumpfen. In den USA und in Singapur beurteilen die 16- bis 25-Jährigen die eigene Zukunft dagegen zuversichtlicher als in den letzten drei Jahren. Info zur Umfrage: Für das Credit Suisse Jugendbarometer 2015 wurden jeweils rund 1000 16- bis 25-Jährige in den USA, Brasilien, Singapur und der Schweiz befragt.
Mit dem demografischen Wandel zeichnet sich ein Generationenkonflikt ab. In Singapur wird die Alterung der Bevölkerung, respektive die niedrige Geburtenrate, sogar als Hauptproblem angesehen, in der Schweiz rangiert die Altersvorsorge auf Platz zwei. Fragt man direkt, ob der immer größere Anteil an älteren Menschen ein Problem darstelle, antworten in der Schweiz und in Singapur immer mehr Jugendliche mit „Ja“. Die Resultate korrelieren nicht mit dem Medianalter der Bevölkerung: Die Schweiz ist zwar das älteste Land (50 Prozent der Bevölkerung sind über 42 Jahre alt), an zweiter Stelle kommen aber die USA (38 Jahre) und erst dann Singapur (34 Jahre). Brasilien ist am jüngsten (31 Jahre).

POLITISCHE PARTEIEN GELTEN ZWAR ALS OUT, DOCH EINE GENERELLE POLITIKVERDROSSENHEIT IST NICHT SPÜRBAR

Zu dieser These passt, dass in der Schweiz die Sorgen rund um Ausländer generell und um Flüchtlinge im Besonderen in den letzten fünf Jahren stetig zugenommen haben. Politische Parteien gelten zwar als out, doch eine generelle Politikverdrossenheit ist nicht spürbar. Speziell dort, wo es nicht gut läuft, möchten sich die Jugendlichen durchaus aktiv beteiligen.

Fazit: Faule, verwöhnte, ständig abgelenkte Jugend? Mitnichten! Die 16- bis 25-Jährigen geben ein reflektiertes, realitätsnahes Bild ab. Sie mögen etwas oft auf ihren Gerätchen herumfummeln, aber genau das war schon immer das Privileg der Jugend: etwas zu haben, von dem die Eltern keine Ahnung haben.

EINMARSCH EINER INVASIONSARMEE

Der ungarische Staatschef Viktor Orban hat wieder einmal mit einem markigen Spruch zur Flüchtlingskrise für Aufregung gesorgt. Beim Kongress der Europäischen Konservativen in Madrid erklärte er, dass es sich bei dem Zustrom nach Europa um den „Einmarsch einer Invasionsarmee“ handle und nicht um Kriegsflüchtlinge. Orban rief dazu auf, das „Erbe Europas“ gegenüber einer „vorwiegend männlichen Migrationsbewegung zu verteidigen“. Beim Kongress wurde auch die These aufgestellt, dass Integration nur teilweise funktionieren wird. Migranten werden weiter ihre Muttersprache nutzen und nie ihre Identität aufgeben.
Und Abschieben? Das ist auch problematisch. Abgesehen von juristischen Spezereien. Aktuell, so wird berichtet (Österreich), hat man 20 Personen abgeschoben. Darunter zwei Afghanen. Einer davon geht freiwillig. Grund: Er meinte, selbst Hunde bekommen hier ein besseres Essen als er.

DIE GRENZE ZÄHLT NICHTS MEHR; DAS STAATSVOLK AUCH NICHT

Transitzonen oder Aufnahmezentren? Kontingente oder Obergrenzen? Dass sich ein Staat und seine Handlungssouveränität wesentlich durch die Kontrolle über seine Landesgrenzen definiere, scheine im Zeichen Merkel’scher Willkommenskultur aus dem Blick geraten zu sein. Die Flüchtlingskrise kann der Sprengsatz für die Europäische Union werden. Die nationalen Gegensätze treten in einer Weise hervor, die viele für überwunden hielten. Das ist auch kein Wunder, denn es geht nicht nur um unsere Art zu leben, nein die Verfassung unseres Gemeinwesens steht auf dem Spiel. Das erzeugt Unbehagen bei vielen Bürgern, wegen – angeblich – negativen Auswirkungen der starken Zuwanderung, wie beispielsweise steigende Immobilien- und Mietpreise oder ein verstärkter Wettbewerb in manchen Segmenten des Arbeitsmarktes.

Die Entscheidung Deutschlands, alle Flüchtlinge ins Land zu lassen, die es bis hierhin geschafft haben, stellt die eigene Staatlichkeit in Frage: Die Grenze zählt nichts mehr; das Staatsvolk auch nicht. Denn wer alles kommt, und wer schon im Land ist, weiß niemand genau. Dabei hat nach dem Grundgesetz wie nach europäischem Recht niemand einen Anspruch auf Schutz oder Asyl in Deutschland, der aus einem sicheren Land einreist. Das heißt keinesfalls, dass Deutschland nicht helfen sollte wo und wie es kann. Aber es muss die Kontrolle darüber behalten, wer kommt.

Die deutsche Bundesregierung versucht nun langsam gegenzusteuern, aber sie erntet für ihre Politik vor allem Kopfschütteln. Kein Land folgt ihr auf ihrem Weg. Gewiss: Kein anderer Staat scheint eine so große Anziehungskraft auszuüben wie Deutschland. Und es ist beschämend, wie wenig Partnerstaaten tun, um das Flüchtlingselend zu bekämpfen und wie wenige Menschen sie aufnehmen. Doch weder die osteuropäischen EU-Mitglieder, die noch ein frisches Verständnis von nationaler Souveränität haben, noch etwa Briten und Franzosen kommen Deutschland entgegen – obwohl es fürwahr die Flüchtlingskrise nicht allein meistern kann.

ASYLWERBER: WENIG CHANCEN AUF LEGALE ARBEIT

Die (österreichische) Regierung will auf ihrem Arbeitsmarktgipfel Antworten darauf finden, wie man die Flüchtlinge am Jobmarkt integriert. Die große Unbekannte ist, wie sich die Flüchtlingskrise auf den Jobmarkt auswirkt. Seit Jahren wird über den Arbeitsmarktzugang von Asylwerbern gestritten, schreibt der STANDARD. Aktuell haben Asylsuchende kaum Möglichkeiten, legal Arbeit zu finden, es sei denn im Gastgewerbe oder in der Landwirtschaft. Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer verlangen seit langem eine Öffnung des Arbeitsmarkts. Bei der Gewerkschaft ist man offen dafür, wie Manfred Anderle, Bundessekretär der Produktionsgewerkschaft sagt. Bei den Sozialpartnern ist das Thema eigentlich bereits außer Streit gestellt.

Im Schnitt dauert ein erstinstanzliches Asylverfahren derzeit fünf Monate. Die langfristig wichtige Frage ist daher, ob es gelingt, Flüchtlinge mit Bleiberecht zu integrieren. Anerkannte Flüchtlinge sind Inländern am Arbeitsmarkt gleichgestellt. Das Innenministerium erwartet heuer mehr als 80.000 Asylanträge. Angesichts dieser Zahl ergeben sich drei Herausforderungen: Die Flüchtlinge werden für mehr Wettbewerb am Arbeitsmarkt sorgen. „Besonders schlecht ausgebildete Migranten, die schon hier sind, fürchten ausgetauscht zu werden“, sagt der Gewerkschafter Anderle. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Probleme für Neoösterreicher und solche, die nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen, bereits unabhängig von der Flüchtlingskrise bedrohliche Ausmaße angenommen haben. Fast jeder Vierte mit Pflichtschulabschluss ist arbeitslos. Bei der Gewerkschaft fürchtet man, dass es zu Lohndumping kommt, Kollektivverträge könnten dies nicht verhindern.

DER LETZTE EUROPÄER

In diesen Tagen geschieht vor unseren Augen, auf den Rücken der Flüchtlinge, ein politisches Schwarzer-Peter-Spiel, bei dem die EU nur als Ganzes verlieren kann. Europa scheint an der Balance zwischen Reisefreiheit und Migrationspolitik zu zerbrechen. Inmitten der Krise wird jede noch so unschöne Schwachstelle innerhalb der europäischen Integration offenbart. Die Kluft zwischen dem, was nötig wäre, und dem, was Europa faktisch bereit ist zu unternehmen, scheint zuweilen unüberbrückbar.
Der enttäuschte Europäer wendet sich dieser Tage nationalstaatlichen Egoismen zu, welche ihm seit jeher vertrauter sind als die ferne Union. Der Hinweis, dass der Nationalstaat es ebenso wenig kann, ist zwangsläufig immer leiser als der Zweifel und die Angst, die ihn antreiben. Zumal der europäische Bürger Werte wie Optimismus, Zuversicht und Glaube in die Europäische Integration erst finden wird, wenn es Europa gelingt, auf die dringendsten Fragen, Antworten zu finden. Dabei ist eigentlich nichts vielversprechender, als der sichtbare Erfolg.

EUROPAS LEITBILD: UNITY IN DIVERSITY

Jene Ereignisse sind es, welche die unity in diversity, dass ursprüngliche Leitbild der Europäischen Union, offenlegen sollten. Doch die Empathie findet schnell ihre Grenzen und gilt in erster Linie syrischen Migranten. Sie sind es, denen in unüblicher Einigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten, wahre Fluchtgründe zugesprochen werden.
Der Politik nationaler Selbstversicherung kann folglich nur mit Offenheit eines jeden Einzelnen von uns begegnet werden. Erst wenn die Bereitschaft existiert, im Dienste des europäischen Kompromisses nationale Sichtweisen zur Verhandlung zu stellen, können gemeinsame Lösungen entstehen. Eines nur ist sicher zu bemerken. Die Menschen, die kommen, werden unser nationales Geschichtsbild nachhaltig zerstören. Dafür müssen wir ihnen dankbar sein. Denn insofern wir ihren Vorschlag ablehnen, ernst zu machen mit unity in diversity, droht nicht mehr nur das Fallen der Grenzbäume zwischen den Staaten, sondern das Scheitern des Europäischen Gedanken als Ganzes.

MÖGLICHE AUSWIRKUNGEN AUF DIE FINANZMÄRKTE

Laut den Einschätzungen des Credit Suisse Economic Research dürften die Auswirkungen auf das Wachstum 2014/15 eher gering sein. Allerdings befürchten die Analysten, dass das mittel- bis längerfristige Wachstumspotenzial ernsthaft beeinträchtigt werden könnte.
Wie angemerkt, dürften Unternehmen in Anbetracht der höheren mittel- und längerfristigen Unwägbarkeiten wohl zögerlicher bei der Einstellung von Personal vorgehen, ungeachtet dessen, ob es sich um Personal ausländischer oder nationaler Herkunft handelt. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden deshalb größer sein als auf die Wirtschaftsleistung selbst. Das Beschäftigungswachstum könnte sich nach der Credit-Suisse-Expertise alleine in der Übergangsperiode faktisch halbieren. Man prognostiziert, dass in dieser Drei-Jahres-Periode 80.000 weniger Stellen geschaffen werden. Die Verlangsamung des Beschäftigungswachstums wird deshalb ausgeprägter ausfallen als die Verlangsamung der Zuwanderung. –Deshalb ist auch mit negativen Auswirkungen auf die Nachfrage nach Arbeitskräften zu rechnen. (Expertise: Credit Suisse)

INVESTITIONSRÜCKGANG ALS GRÖSSTE GEFAH

Optimisten könnten vielleicht die Auffassung vertreten, dass Unternehmen infolge des reduzierten Angebots an „billigen“ Arbeitskräften mehr in Automation investieren als normal, doch schätzt man diesen Effekt als sehr gering oder gar als nicht vorhanden ein, da die Investitionskosten hoch sind und Unternehmen aufgrund geringerer Wachstumserwartungen ohnehin die Investitionsausgaben dämpfen. Der wahrscheinlichere – und viel beunruhigendere Effekt wird eine weitere Verstärkung des Trends zur Auslagerung arbeitsintensiver Produktion sein.

NIE HABEN SICH POLITIKER SO SEHR VOR DER WAHRHEIT GEDRÜCKT

Das ist angesichts der Krise verständlich, aber gefährlich. Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit, so lautet eine oft zitierte politische Weisheit. Doch zurzeit besteht die Politik in Europa vor allem darin, die Wirklichkeit zu verdrängen und zu beschönigen. Gar nicht mal aus böser Absicht – aber macht es das besser? Jüngstes, dramatisches Beispiel ist die Flüchtlingspolitik, die soeben ihren Fukushima-Moment erlebt: völlige Richtungsumkehr binnen weniger Tage. Was eben noch dazu dienen sollte, die Grenzen der EU zu verteidigen, auch wenn es viele Flüchtlinge das Leben kostete, musste nun im Handumdrehen genau den gegenteiligen Zweck erfüllen: die Rettung von möglichst vielen Flüchtlingen, auch wenn die Grenzen damit durchlässig werden.
Dieser Vorgang nährt einen Verdacht, den viele hegen: Sagen die Regierenden in Berlin und Brüssel auch bei anderen wesentlichen Fragen nicht alles, was sie wissen und denken, was sie bewegt und verunsichert? Die Antwort lautet: Ja.

IT’S HISTORY, STUPID!

Jetzt passiert all das, was man befürchtet und rasch zu den Akten gelegt hat. Russland bescheidet sich keineswegs mit dem Verlust seines Imperiums; die westlichen Parteiensysteme hatten seinerzeit den Verlust der bipolaren, in Freunde und Feinde säuberlich sortierten Ordnung leidlich überstanden, nun zerbrechen sie verspätet doch noch; die EU verliert ihre Richtungsgewissheit, und das transatlantische Bündnis wirkt nach dem Verlust des großen gemeinsamen Gegners Sowjetunion ausgehöhlt. Nicht einmal die Rückkehr eines aggressiven Russlands auf die Bühne genügt, um zu reparieren, was von Irak bis NSA zwischen den USA und EU alles schiefgelaufen ist.
Gespräche wie diese finden zurzeit im politischen Zikeln häufig statt. Manchmal brechen aus führenden Politikern, die sich hart am Rande einer politischen Überlastungsdepression bewegen, alle Ängste zugleich hervor. Wenn der Krieg in der Ukraine weiter eskaliert und Griechenland doch pleite geht und wenn die unsägliche Marine Le Pen französische Präsidentin wird und ihr Land isoliert und wenn die Briten aus der EU verschwinden, dann, ja dann – aber bitte schreiben Sie das nicht.

DAS NEUE POLITISCHE LEBENSGEFÜHL

Sie ist versunken, diese Welt, die der Westen noch leidlich unter Kontrolle zu haben schien. Und wie durch ein Wunder fanden ja auch nie mehrere internationale Katastrophen zur selben Zeit statt, die Welt mutete uns nicht mehr zu, als wir verkraften konnten. Der Rest ließ sich wunderbar verdrängen. Das hat sich geändert. Griechenland, Russland, islamistischer Terrorismus – die Krisen haben sich angewöhnt, alle zugleich auf uns einzudringen, längst sind sie stärker geworden als unsere Verdrängungskräfte und -wünsche.

Und noch etwas hat sich geändert, schwer zu sagen, wann es genau geschehen ist, beim Einmarsch der Russen auf der Krim, bei der Pleite von Lehman Brothers, bei der dritten Wiederkehr der Griechenlandkrise oder als man den Überblick über den Mittleren Osten verloren hat: Niemand glaubt mehr, dass wir in einer Ausnahmephase leben; fast keiner wagt zu hoffen, dass sich die Araber alsbald befrieden oder dass Putin demnächst seine Kraft auf die Modernisierung Russlands wirft und aufhört, seine Nachbarn zu provozieren.
Die Krise ist das Normale, die Jahre zwischen 1990 und heute waren die Ausnahme.
Die führenden Politiker sind heute mindestens so aufgewühlt wie 1989/90, dabei so unsicher wie nie, sie geben es im Vertrauen oft sogar zu. Dennoch dringt von alledem wenig nach außen. Warum? Derzeit ist der Unterschied zwischen drinnen Besprochenem und draußen Verschwiegenem größer denn je. Offensichtlich wollen die führenden Politiker die Leute nicht mit der eigenen Verunsicherung verunsichern. Die Folgen könnten unabsehbar sein, denken sie.

Heute ähnelt die Struktur der Öffentlichkeit jener Welt, über die sie berichtet: Sie ist multipolar, anarchistisch, chaotisch, manchmal irre. Das Internet hat den alten, erkennbar verunsicherten und zugleich oft ins Gestrige versteiften Medien eine neue Schwarmintelligenz hinzugefügt, die jederzeit aber auch als Herdenblödigkeit auftreten kann.

SIND WIR WIRKLICH EINE AUGENHÖHE-GESELLSCHAFT?

Im Grunde geht es um eine Entscheidung: Versucht die Politik weiterhin, mit mildem Paternalismus die Staatsschäfchen ruhig zu halten, oder setzt sie darauf, dass die Augenhöhe-Gesellschaft mit (fast) allem fertig werden kann? Werden die Staatsbürger, wenn sie erst einmal wissen, was die Stunde geschlagen hat, genug Kraft und Fantasie entwickeln, mit dem neuen Durcheinander fertig werden?

DIE AUSSETZUNG VON SCHENGEN?

Die steigenden Flüchtlingszahlen bringt die Europäische Union immer stärker in Bedrängnis. Erstmals diskutierten die EU-Innenminister darüber, das Schengen-System des Reisens ohne innereuropäische Grenzkontrollen auszusetzen. Diplomaten rechnen zwar nicht mit einem Beschluss, aber doch mit einem Prüfauftrag an die EU-Kommission, die einen solchen Vorschlag offiziell unterbreiten müsste.

Die Möglichkeit einer zweijährigen Pause existiert im EU-Recht seit 2013. Als „letztes Mittel“ sieht Artikel 26 des Schengener Grenzkodex vor, dass Mitgliedstaaten sechs Monate lang wieder die Grenzen kontrollieren und diese Maßnahme bis zu drei Mal um sechs Monate verlängern können. Bedingung ist die Feststellung der Kommission, dass ein Land trotz Hilfe die Außengrenze nicht effektiv sichern kann.

DIE EU ERKAUFT SICH ERDOGANS HILFE

Die EU und die Türkei haben im Rahmen des EU-Türkei-Sondergipfels in Brüssel einen Aktionsplan beschlossen, um den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa einzudämmen. Laut EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker werden der Türkei zur Versorgung von Flüchtlingen im Land drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Neben dieser Finanzhilfe sagte die Union der Türkei einen Neustart der Beitrittsverhandlungen sowie eine stufenweise Abschaffung der Visumpflicht für die EU zu. Die Türkei wiederum will künftig ihre Küsten besser schützen und verstärkt gegen Schlepper vorgehen.
„Das ist ein historischer Tag und ein historisches Treffen“, sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nach dem Sondergipfel. Davutoglu sprach von einem „Wendepunkt“ in den Beziehungen mit der EU und betonte den „Willen der türkischen Gesellschaft“ zur EU- Mitgliedschaft.

KRIEG GEGEN UNSERE ART ZU LEBEN

Wie kann man den Flüchtlingsstrom nur Invasion nennen, haben sich kürzlich die etablierten Parteien echauffiert. Nun, das liegt daran, dass sie die militärische Dimension des Flüchtlingsstroms nicht durchschaut haben, bei dem wirklich arme Migranten nur als psychologischer Schutzschild dienen. Die Schicksale und Geschichten sollen uns moralisch wehrlos machen. Und die Reaktion der Parteien, aber auch vieler normaler Bürger, ist das beste Beispiel dafür, wie das gelingt.

Nicht wenige glauben inzwischen wirklich, dass dies die genialste Invasion aller Zeiten ist. Das Rezept: Man halte den Leuten dauernd Bilder von niedlichen kleinen Kindern, netten Frauen und sympathischen Familien unter die Nase. Durch Propaganda kann man einen Menschen regelrecht dazu bringen, sich selbst zu verzehren, wenn ihm nur alle einreden, dass das äußerst edel, hilfreich und gut wäre. 24 Stunden am Tag wird an unser Mitleid und Mitgefühl appelliert, bis man sich nicht mehr dagegen wehren kann.

DER GENIALSTE KRIEG ALLER ZEITEN

Es ist der genialste Krieg aller Zeiten und wahrscheinlich der schlimmste Missbrauch, der je mit menschlicher Hilfsbereitschaft und menschlichem Mitgefühl getrieben wurde. Möglich wurde er durch die Dauerlügen der Parteien und die Dauerbestrahlung durch die privaten und öffentlich-rechtlichen Sender.
„Die geschickteste Kriegsstrategie ist diejenige, die einen Feind unmerklich so manipuliert, dass er sich schrittweise selber vernichtet und zuvor womöglich noch sein eigenes Grab schaufelt“, heißt es in einem exzellenten Video von klagemauer.tv. Längst werden ganze Völker auf diese Weise strategisch so manipuliert, dass sie sich aufgrund ablenkender Täuschungsmanöver unmerklich selber vernichten. Und zwar mit brennendem Eifer, großer Selbstaufopferung und man höre und staune: Sogar auch noch auf eigene Kosten.
Mehr noch: Die Zielpopulation fühlt sich auch noch gut dabei, denn was gibt es Schöneres, als hilfsbedürftigen Menschen zu helfen? Es ist eine eiskalt geplante psychologische und ethnische Kriegsführung. Vor allem die hilfsbedürftigen Flüchtlinge sind dabei nur „Munition“ und Tarnung. Die Leute am Drücker sitzen woanders.

Massenschlägerei? Ja, wie geht das? Etwa mit Muttis und Kleinkindern? Nein. Da schlagen sich natürlich nicht Muttis und Dreikäsehochs, sondern kräftige junge Männer: Auf Lesbos musste die Polizei Blendgranaten einsetzen, um rund 1000 aus Afghanistan stammende Immigranten daran zu hindern, die Fähre Blue Star 1 zu kapern, die nach Piräus auslaufen sollte. Das Schiff konnte noch rechtzeitig ablegen.

PAKETE MIT FALSCHEN PÄSSEN

Der deutsche Zoll hat inzwischen Pakete mit gefälschten und echten (!) syrischen Pässen entdeckt, mit denen Flüchtlinge ganz schnell zu Syrern werden können. Syrische Pässe sind unter Flüchtlingen begehrt, schrieb dazu Spiegel Online. Nun scheint es, als bereite der IS zusätzlich eine neue Strategie vor: Zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass er systematisch arabische Kämpfer nach Europa schleust. Offenkundig gründen sie Netzwerke. Und es ist sicher, dass sie Krieg wollen. Der IS weitet den Krieg auf Europa aus.

In US-Gefängnissen wurden die ersten IS-Führer nämlich ausgebildet und die ersten Terrorzellen gegründet – und zwar unter den Augen des Gefängnispersonals. Als der führende IS-Stratege Haji Bakr die neue IS-Terrorherrschaft ausheckte, befand er sich nirgendwo anders als bei den Amerikanern: „Für zwei Jahre saß Haji Bakr im amerikanischen Gefangenenlager Camp Bucca und im Gefängnis von Abu Ghuraib, wo viele der späteren Terrorkontakte erst geknüpft wurden“, so die Spiegel-Website (Spiegel Online, 19.04.2015).

DAS DEUTSCHLAND, DAS WIR KENNEN, WIRD DURCH MASSENEINWANDERUNG VERSCHWINDEN

Kaum ein deutscher Historiker ist so streitbar wie Jörg Baberowski. Denn ihn bewegt nicht nur Vergangenes, sondern auch die Gegenwart – wie die Flüchtlingskrise, die seiner Meinung nach Deutschland für immer verändern wird. Seine Thesen dazu sind provokant. Immer wieder meldet er sich mit seinen Forderungen zu einer strikteren Asylpolitik zu Wort. Nicht jeder Flüchtling sei eine Bereicherung für Deutschland, sagt er. Mit solchen Aussagen hat sich der Professor für die Geschichte Osteuropas, der an der Berliner Humboldt-Universität lehrt, schon die Bezeichnung Rechtsintellektueller eingehandelt.

Im Interview mit der HuffPost legt er noch einmal nach. Baberowski sagt, dass das Deutschland, an das wir uns gewöhnt haben, verschwinden wird. Es ist das Deutschland, das auf einem christlichen Wertefundament beruht. All das, was uns lieb und teuer war, womit wir unserem Leben bislang einen Halt gegeben haben, muss sich ändern, weil Menschen aus einem anderen Kulturkreis kommen und auch andere Vorstellungen davon haben, wie wir leben sollen.
Deutschland ist überhaupt nicht gerüstet. Die dynamischen Einwanderungsländer – die USA, Kanada, Australien – sind gut vorbereitet, weil sie Einwanderung organisieren und steuern. Wir machen das nicht. Es ist absurd, dass ein russischer Akademiker nur mit Mühe ein Visum erhält, einem pakistanischer Wanderarbeiter, der ohne Pass nach Deutschland kommt, aber alle Möglichkeiten offen stehen sollen. Wir steuern Einwanderung nicht.
Die Kontingentlösung kann Merkel vergessen. Kein Land will Deutschland irgendeinen Einwanderer abnehmen. Es war nicht klug, Selfies mit Flüchtlingen zu machen, die in alle Welt verschickt wurden, und es war auch nicht klug, in die Welt hinauszurufen, es könne jeder nach Deutschland kommen, weil es eine Obergrenze nicht geben dürfe.

PRO

DIE FLÜCHTLINGSSITUATION KANN DIE EU STÄRKEN

Der Kern europäischer Werte ist die Würde des Menschen. Herausforderungen habe es immer gegeben. So ist die Flüchtlingssituation nicht nur ein Problem, sondern zugleich eine Chance, aus der die EU am Ende sogar stärker herauskommen könnte.
In den 28 Staaten der Europäischen Union leben über 500 Millionen Menschen, die sich zu gleichen Werten bekennen. „Kern dieser Werte ist die Würde des Menschen. Das gilt für alle Menschen, auch für Flüchtlinge.“ Sie müssten mit Respekt behandelt werden, schließlich handle es sich nicht um Eindringlinge oder Gegner, sondern um Menschen, die einem furchtbaren Krieg entkommen seien.

Es würde ein großes Manko entstehen, wenn sich die Europäische Union nur noch durch Stacheldraht, Tränengas, Wasserwerfer oder Hundestaffeln darstellte. Auf der anderen Seite könnten wir aber auch nicht unbegrenzt Flüchtlinge in die Europäische Union aufnehmen: „Irgendwo dazwischen liegt die Lösung und daran wird ja gegenwärtig gearbeitet“.
Eine große Anzahl an Migranten als wirtschaftliche Belastung zu sehen, sei jedoch ein Fehler. Die Auswirkungen einer starken Zuwanderung auf die öffentlichen Finanzen, Renten, die Demografie und das potenzielle Wachstum in der Eurozone werden positiv sein.

Der größte Nutzen entsteht nach Auffassung nach der Expertise der CS aus den langfristigen Folgen für Europas Arbeitsmarkt, der vor allem in Deutschland und Italien mit einer älter werdenden Bevölkerung und einer steigenden Zahl an Rentnern zu kämpfen hat, die von Sozialleistungen leben. Dieser wachsenden Anzahl abhängiger Rentner steht ein geringerer Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter gegenüber.

STEILER ANSTIEG DES DEMOGRAFISCHEN ALTENQUOTIENTEN

Im Hinblick auf das potenzielle BIP ist die demografische Situation in Europa für den düsteren Ausblick mitverantwortlich, merkt der Bericht an. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission wird das durchschnittliche Wachstum für die Jahre 2015–2023 bei etwa 1,1 Prozent liegen, teilweise aufgrund des sehr mäßigen Beitrags des Faktors Arbeitsaufwand, der laut Kommission bei lediglich 0,2 Prozentpunkten liegt.

MIGRANTEN KÖNNTEN HELFEN, DEN DRUCK VOM ARBEITSMARKT ZU NEHMEN

Der Bericht der Credit Suisse merkt an, dass die meisten nach Europa strömenden Migranten und Asylsuchenden jung und männlich sind. Von denen, die in diesem Jahr nach Deutschland gekommen sind, waren knapp über die Hälfte zwischen 18 und 34 Jahre alt und etwas mehr als drei Viertel sind im erwerbsfähigen Alter. Junge Migranten als Arbeitskräfte in die alternde berufstätige Bevölkerung zu integrieren, steigert das langfristige Wachstumspotenzial, bemerkt der Bericht. Die Analyse prognostiziert, dass sich der Beitrag der Arbeit zum potenziellen Produktionswachstum in der Eurozone zwischen 2015 und 2023 durchschnittlich von 0,2 auf 0,4 Prozent pro Jahr verdoppeln wird und damit das Produktionspotenzial von 1,1 auf 1,3 Prozent des jährlichen Wachstums anheben wird.
Alle Versorgungskosten für den grundlegenden Bedarf der Migranten dürften ihren Weg zurück in die Wirtschaft finden, sagt der Bericht. Mit der Zeit wird durch den Zufluss an Migranten die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wachsen und mehr Steuern und Sozialleistungen zahlen, als sie erhalten.

CONCLUSIO

EINDÄMMUNG DER FLÜCHTLINGSKRISE

In Brüssel haben sich die Regierungschefs von zehn EU-Staaten und drei Nicht-EU-Länder des Westbalkans mit der EU-Kommission und dem UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR auf Maßnahmen zur Eindämmung der Flüchtlingskrise auf der so genannten Balkanroute geeinigt. Die wichtigsten Punkte daraus:

Auf der Balkanroute sollen 100.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge geschaffen werden. Die anderen 50.000 Plätze sollen entlang der Balkanroute entstehen und vor allem als Ruheorte dienen. Wo sie entstehen sollen, wird nicht festgelegt.
Schnellere Abschiebung von Migranten ohne Anspruch auf Asyl und engere Zusammenarbeit mit deren Herkunftsländern, vor allem Afghanistan, Pakistan und anderen asiatischen Staaten. Dafür soll die EU-Kommission ein Rückführungsabkommen etwa mit Afghanistan abschließen. Stop des Durchwinkens von Migranten zum nächsten Nachbarstaat. Die Fortschritte sollen wöchentlich überprüft werden. Die Kommission koordiniert die Zusammenarbeit mit den nationalen Kontaktpersonen

MIKL-LEITNER: BRAUCHEN REDUKTION DER MIGRATIONSSTRÖME

„Wir brauchen eine Reduktion der Migrationsströme“, forderte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Oberste Priorität sei weiterhin, „den Schengen-Raum zu erhalten“, sagte sie vor dem Treffen mit ihren EU-Kollegen. Sie selbst fordere seit Monaten, dass Griechenland Hilfe der EU-Staaten annehmen müsse. Denn „eine Reduktion der Migrationsströme erreicht man nur durch eine Sicherung der europäischen Außengrenze“, so die Innenministerin.

TECHNISCHE SPERREN VOR GRENZE IN SPIELFELD

„Natürlich geht es auch um einen Zaun“, stellte die Innenministerin im ORF-Radio klar. Mikl- Leitner hatte mit dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, den Grenzübergang im steirischen Spielfeld besucht, um sich ein Bild der Flüchtlingssituation zu machen.
Österreich sei, was die Zahl der ins Land strömenden Flüchtlinge betreffe, am Limit, die Notquartiere würden sich immer mehr füllen. Und das aus einem einfachen Grund: „Wir haben jeden Tag mehr Zufluss im Süden als Abfluss Richtung Norden“, so Mikl- Leitner zur „Krone“. Bislang könne die Situation noch bewältigt werden, die Lage könne sich aber in den kommenden Wochen noch weiter verschärfen. Einzelne Gruppen werden aggressiver. Dieser „Grenzsicherungszaun“ hat eine Lücke, weil ein Grundeigentümer seine Zustimmung zur Aufstellung verweigert. Die deutsche BILD schreibt: Der Zaun ist nicht ganz dicht. Das ist unfair, aber beruhigend. Österreich kann nichts geschehen, denn Schilda kann nicht untergehen.

SCHWENK IN ASYLFRAGE

„Ich verstehe die Ängste der Bevölkerung und ich engagiere mich mit meinen europäischen Partnern, die Zahl der Flüchtlinge zu verringern.“ Das sagt der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann im „Krone“- Interview. Damit signalisierte der Bundeskanzler erstmals einen sanften Schwenk in der Flüchtlingspolitik. Der Bundeskanzler stellt weiters klar, „dass auch an den Grenzen im Inneren wirksam kontrolliert werden muss“. Der Kanzler wörtlich: „Ohne Registrierung an der EU- Außengrenze kann es keinen legalen Aufenthalt mehr in Europa geben.“ Eine späte Erkenntnis. Laut Faymann haben jetzt klare Spielregeln für Flüchtlinge und die europäischen Mitgliedsstaaten zu gelten.

EPILOG

WAS LÄUFT SCHIEF IN ÖSTERREICH?

Staatsversagen ist ein großes Wort. Ziemlich sicher ein zu großes, um den Zustand der Republik zu beschreiben, kann man in der Wiener Zeitung lesen. Aber das Räderwerk des Landes stottert. Wie, das hat etwa die Flüchtlingskrise in den vergangenen Wochen aufgezeigt. Zum Bild Österreichs als eines der erfolgreichsten Länder weltweit ist das allein kein Widerspruch. Aber es differenziert, zumal die Probleme am Kern des Institutionengefüges der Zweiten Republik rühren.

Dazwischen hat sich eine immer größere Schicht von Ministersekretären gedrängt, oft Medien- und PR-Berater, aber zu wenige Juristen.“ Die Folgen? „Eine ungeheure Kurzatmigkeit der Politik samt Entscheidungen, die sich nicht mehr an den sachlichen Erfordernissen orientieren.“ Das ist, findet jedenfalls Clemens Jabloner, ehemaliger Präsident des Verwaltungsgerichtshofs und jetziger Professor am Juridicum, ein großes Problem. Parlamentarismus-Experte Werner Zögernitz formuliert es so: „Die Überforderung beginnt mit dem Beamten, der in der Ministerialbürokratie den Entwurf für ein Gesetz verfasst, und endet mit dem Beamten, der die Vorschrift umsetzen muss.“ Viel zu viel werde hierzulande gesetzlich geregelt, bemängelt Zögernitz – und zieht den Vergleich mit Deutschland: Das Grundgesetz wurde seit 1949 kaum verändert, während Österreich mehrmals pro Jahr Verfassungsbestimmungen beschließt.

Aus einer anderen Perspektive wandelt sich die Regulierungswut zur Angst der Politik vor klaren Entscheidungen. Für Eckart Ratz, Präsident des Obersten Gerichtshofs, verzichten Politiker vor lauter Angst, dass der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung aufhebt, lieber gleich auf eine Regelung – in der Hoffnung, die Gerichte werden das schon regeln. Und er nennt ein bekanntes Beispiel: „Ob das christliche Kreuz in die Klassenzimmer gehört, kann nur politisch entschieden werden, nicht juristisch.“ Das scheint unbewusst sogar der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu ahnen, schließlich hat er in erster Instanz gegen Kreuze in italienischen Klassenzimmern entschieden und, als das erste Urteil angefochten wurde, in zweiter dann dafür. Ein Beitrag für mehr Rechtsklarheit sieht anders aus, zumal die meisten Urteile des EGMR nie angefochten werden.
Müssen Politiker fürchten ihrer Fehleinschätzungen wegen zur Verantwortung gezogen zu werden? Nein! Denn, Wähler verzeihen zwar nie. Aber sie vergessen.

ARISTOTELES: TOLERANZ IST DIE LETZTE TUGEND EINER UNTERGEHENDEN GESELLSCHAFT

Ein fälschlich Aristoteles zugeschriebenes Zitat, mit dem Toleranz als Tugend einer untergehenden Gesellschaft identifiziert wird. (wikipedia)

 

Quellenangabe: ADA – Akademie der Assekuradeure, Eurostat, kopp.verlag.de, Internet, Credit-Suisse\News-and-Expertise\Economy, Credit-Suisse Sorgenbarometer, Die ZEIT, „Krone“/Kronenzeitung, derStandard, Kurier, Nachrichten.at, Wiener Zeitung, ortneronline.com, Heute.at, ORF.at, Salzburger Nachrichten, Wikipedia, Blog im Internet, Ostthüringer Zeitung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Tagesspiegel, Frankfurter Allgemeinen Zeitung, www.huffingtonpost.de, Google, u.w.a.