Bulletin No. 1

Unser Bundespräsident Dr. Heinz Fischer (© CC BY 3.0/GuentherZ)
Unser Bundespräsident Dr. Heinz Fischer (© CC BY 3.0/GuentherZ)

Die Qualität einer Gesellschaft erkennt man unter anderem daran, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Wir müssen uns einsetzen für die Schwächeren in unserem Land, für diejenigen, die am Rande unserer Gesellschaft leben.


Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr hier eintretet!

Inschrift am Höllentor. Aus: La divina commedia (Die göttliche Kommödie). Von Dante Alighiere, einem der bedeutendsten Dichter des europäischen Mittelalters. Originaltext: Lasciate ogni speranza, voi ch´entrate!

Alle kennen jetzt den ESC. Zeit ist´s, dachte ich, dass die Leute die Esc-Taste auf der Computertastatur kennen. Ich wurde schnell belehrt. Mit ESC sei der Eurovision Song Contest gemeint. Und zu verdanken haben wir, dass der in Wien stattfand, der wunderbaren Conchita Wurst. Und tatsächlich, überall war Wurst. In allen Fernsehkanälen, in der Werbung und sogar in der Straßenbahn hat man sie hören können. Ganz Wien ist Wurst. Die Kanaldeckel sangen und seitdem wir eingeschlechtliche Figuren auf Verkehrsampeln picken, schreibt man sogar in New York über uns! Leute! New York! In der Tramway gab die wunderbare und überdies sehr kluge! Conchita Wurst Ansagen durch. Ich machte mein Gegenüber aufmerksam und sagte: Hören Sie? Das ist die Conchita Wurst, der wir den Song Contest zu verdanken haben! Mein Gegenüber antwortet mir mürrisch: „Des is mir wurscht“. Österreich. Ein schrecklich nettes Land.

Pleiten gibt es, Pech und Pannen. Wen so etwas, oft schicksalhaft, trifft, dem sollte das womöglich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten passieren. Dort ist eine Privatinsolvenz im Regelfall innerhalb von vier Monaten abgewickelt und man kann neu durchstarten. Und auch bei Firmeninsolvenzen gibt es nach chapter eleven gute Überlebenschancen. Alles nach dem Motto: „Fall hin, steh auf und lerne daraus.“ Anders bei uns in Österreich. Da sieht der Gesetzgeber den „gemeinen“ Schuldner generell als zahlungsunwillig an, den man zur Raison bringen muss. Er gilt als ziemlich bester Schurke. Oder anders gesagt: man definiert etwas was nicht funktioniert, mit etwas, was nicht stimmt. Drakonische Gesetze sind das Ergebnis. So gesehen ist auch der Paragraf 103, 1 ff ASVG reine Strafgesetzgebung. Die österreichische Gerichtsbarkeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie Floskeln liebt und drakonische Gesetzgebung mit drakonischer Gesetzesauslegung verschärft. Da werden Beweise nicht in Augenschein genommen oder die Besprechungen bei einem Bezirksrichter erinnert an „Richter Adam“. Die logische Konsequenz: Das Geschäft mit der Ware Mensch kennt für die Geldindustrie keine Grenzen. Die Fakten zeigen auf, dass es sehr wohl eine gute Geschäftsidee ist, auf Kosten von Armen reich zu werden. Eine mitleidlose Gesellschaft in einem schrecklich netten Österreich.

Es ist vollbracht. Die Steuerreform ist beschlossen. Viele bekommen etwas mehr Netto vom Brutto. Im Durchschnitt den Gegenwert von etwa vier, fünf Leberkässemmerln – mit Gurkerl. Ok, ok. Mit Bier. Aber nicht wenige bekommen eher nichts. Oder anders gesagt, viele müssen mehr zahlen, da vieles teurer wird. Hoppala, ein Gedankenfehler: Alle müssen mehr zahlen. Weil Vater Staat etwas herschenkt, was er nicht hat. Und in einnehmender Offenheit sagen dies auch die Politiker: Die Reform basiere auf höheren Steuereinkünften. Also eine Art selbst bestimmende Gegenfinanzierung. Man ruft dazu auf: „Glaubt ans Glück!“ Und alle freuen sich! Na ja, nicht alle. Aber fast! Das ist natürlich ein unerwarteter, höchst willkommener Effekt. Die Politik erkannte den Erfolg und die Konsequenzen dieses Multi-Level-Marketings sofort und beschloss: nie mehr Worte wie Steuererhöhung oder Sparpaket zu verwenden. Die „tagespresse“ berichtete, wonach der Rechnungshof Pläne der Regierung kritisiere, eine Milliarde Euro zur Finanzierung der Steuerreform durch den Kauf von 100 Rubbellosen einzunehmen. (Quelle: http://dietagespresse.com/­rechnungshof-kritisiert-geplante-gegenfinanzierung-der-steuerreform-durch-kauf-von-100-rubbellosen/). Ein Scherz. Natürlich. Ungeachtet aller Einwände werden von nun an nur mehr Vorteile in Form von Steuerreformen an das Volk ausgeschüttet. Trügerische Sicherheit macht sich selbst bei Angeschütteten breit, im schrecklich netten Österreich.

Menschen ziehen zum Zentralministerium, um eine Petition einzureichen. Submissest wird die Vereinigte Behördenschaft gebeten, doch etwas netter und zuvorkommender zu sein. Mehr Verständnis aufzubringen menschenfreundlicher zu sein. Und bitte keine Schikanen. Der amtliche Sprecher verkündet, dass man bereit sei, darüber zu verhandeln. Man möge bitte etwas warten und er weist auf den Saal in der Mitte mit dem großen Torbogen. Darauf steht: lasciate ogni speranza, voi ch ´entrate. Ein schrecklich nettes Land: Österreich.

Und mit dieser Erkenntnis steigen wir ein ins: Bulletin no. 1